Amaranth, Meerkohl, Vulkanspargel? Muss dieses fremde Gemu?se wirklich sein? Das heimische Gemu?se bietet doch Auswahl genug ... Wer so denkt, denkt spiessig. Der Gemu?sebau war schon immer multikulti. Die wenigsten der von uns angebauten Kulturen haben ihren Ursprung in Europa. Die bu?rgerliche Kartoffel wurde einst aus Su?damerika eingefu?hrt, das Ru?ebli hat seine Wurzeln in Afghanistan und Kopfsalat ist keine ur-europa?ische Erfindung, sondern wurde vor mehr als zweitausend Jahren in A?gypten kultiviert. Statt die «fremden Fo?tzel» abzulehnen, haben unsere Vorfahren sie interessiert angenommen, angebaut, geerntet, gekocht und verzehrt. Das waren schon damals keine spiessigen Bu?rger, sondern Menschen, die es lieber spriessen liessen. Machen wir es ihnen nach: Nehmen wir die Fremden in unsere Ga?rten auf, laden sie in unsere Beete und To?pfe ein und servieren wir sie uns und unseren Ga?sten auf dem Teller!
Der Klimawandel dra?ngt uns ohnehin dazu. Die Sommer werden heisser und trockener, die Winter milder. Was sich gestern noch bewa?hrte, verhebt schon morgen nicht mehr. Stangenbohnen stellen die Blu?tenproduktion in der Sommerhitze ein, wa?hrend Meterbohnen gerade dann zur Hochform auflaufen. Spinat schiesst, sobald es heiss wird, wa?hrend Blattamaranth bei denselben Temperaturen an Masse zulegt. Dazu kommt, dass der internationale Handel uns Zugang zu Gemu?searten verschafft, welche unsere Grosseltern noch nicht einmal kannten. Horngurke? Mo?nchsbart? Gemu?sebirne? Das waren fru?her Fremdwo?rter. Heute kann man diese Gemu?searten nicht nur in Asiala?den oder Delikatessengescha?ften kaufen, sondern bekommt sie teilweise sogar beim Grossverteiler.
Es gibt unendlich viele essbare Pflanzen auf der Welt. Dieses Buch entha?lt nur eine kleine Auswahl davon, und doch ist es mehr, als man bislang in den meisten Ga?rten findet. Dabei hat jede der hier vorgestellten Kulturen durchaus eine Anbauberechtigung. Die einen, weil sie schnell wachsen, viel Ertrag liefern oder Hitze gut ertragen. Andere, weil sie auch im Winter noch etwas fu?r den Teller liefern oder weil ihre Blu?tensta?nde eine besondere Zierde sind. Manche Pflanzen wachsen so unkompliziert, dass man dafu?r keinen gru?nen Daumen braucht. Sie gedeihen selbst bei Menschen ganz ohne Daumen ... Wieder andere ko?nnen sogar trockenheisse Stadtbalkone in Selbstversorgeretablissements verwandeln oder schattig-feuchten Standorten noch einen Beitrag zur Erna?hrung abringen.
Statt spiessig zu denken, sollten wir es spriessen lassen. Auf dass unsere Enkel das, was wir heute noch als fremd ansehen, eines Tages als heimisch betrachten!