Für Christian Morgenstern waren die Gletscher »des Himmels kühles, reines Höhengeschenk«, für Friederike Brun die »Scheitel der Ewigkeit«. Percy Bysshe Shelley glaubte an ihr unaufhörliches Vorrücken und eine zukünftige Welt ganz aus Eis, Mark Twain war der Ansicht, dass der Mensch im Angesicht eines Gletschers seine Selbstgefälligkeit und Arroganz ablegen müsse.
Die fremdartige Gegenwelt der Gletscher gab SchriftstellerInnen durch die Jahrhunderte Anlass zu mal bombastischen, mal sprachlosen Schilderungen. Doch das 'ewige Eis' war kein bloßes Objekt der Beschreibung. In seinem Spiegel zeigte sich der Mensch: begrenzt, klein und vergänglich. Ein Hauch des Todes weht in vielen Texten über Gletscher, aber auch eine Ahnung des Göttlichen.
Außerhalb menschlichen Zugriffs und menschlicher Zeit, mehr schon dem Himmel zugehörig als der Erde?- die Gegenwart zeichnet ein anderes Bild. Herrschte bei den Anfängen des Alpentourismus noch die Kleine Eiszeit, zeigen sich nun immer rasanter die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Das monumentale Gedächtnis der »Gletscher der Erinnerung« zerfließt. Die versammelten Texte bleiben als Speicher einer verlorenen Erfahrung zurück.
Die von Daniel Schwartz für sein Buch While the Fires Burn. A Glacier Odyssey erarbeiteten Fotografien vom Kollaps alpiner Gletscher entstanden zwischen 2009 und 2016; sie sind Resultat der Synthese von naturwissenschaftlicher Beobachtung und künstlerischer Haltung. Peter Weibel (Schneewand, Mensch Keun) betrachtet die Gletscher in einem Essay aus heutiger Perspektive.