Seit den Anfängen systemischer Beratung und Therapie haben Frauen wichtige Beiträge zur Entwicklung von Theorie und Praxis geleistet. Nur wenige von ihnen sind heute bekannt, denn auch im systemischen Diskurs haben patriarchale Strukturen, Glaubenssätze und Verhaltensmuster Spuren hinterlassen. Die Wegbereiter*innen systemischer Praxis verfolgten das Ziel, nicht nur eine gute Begleitung von Klient*innen zu gestalten, sondern auch auf hinderliche gesellschaftliche Strukturen, Interaktionsmuster und herrschende Machtverhältnisse hinzuweisen und diese zu verändern.
Tanja Kuhnert und Nikola Siller reisen zu den Wurzeln der Systemik, um gemeinsam mit vielen Kolleg*innen die systemische Theorie und Praxis gendersensibel und machtkritisch neu zu kontextualisieren und weiterzuentwickeln. Sie würdigen das Schaffen und Wirken vieler Frauen, die an der Entwicklung des systemischen Denkens und Handelns beteiligt waren und zeigen auf, wie patriarchale Muster in der systemischen Theorie und Praxis wirken.
Dieser Band bündelt feministische, machtkritische und diskriminierungssensible Sichtweisen auf die Systemik und setzt sie in einen historischen und gesellschaftspolitischen Rahmen. Zugleich macht das Buch Stolpersteine gleichberechtigter Zusammenarbeit sichtbar und enthält zahlreiche Impulse zur Reflexion und Weiterentwicklung der Systemik.
Nikola Siller und Tanja Kuhnert reisen zu den Wurzeln der Systemik und würdigen in diesem Buch erstmals umfassend das Werk und Wirken vieler Frauen, die an der Entwicklung des systemischen Ansatzes beteiligt waren. Pionier*innen des systemischen Denkens und Handelns verstanden sich als politisch Tätige. Ihr Anliegen war, Probleme, die privat und psychisch individualisiert wurden, wieder als Gemeinschaftsprodukte sozialer Interaktionen und gesellschaftlicher Bedingungen zu rekontextualisieren. Ihnen ging es darum, die Rahmenbedingungen für gutes und gesundes Leben zu verbessern - insbesondere für marginalisierte Menschen.
Die Auseinandersetzung mit Macht und gesellschaftlicher Teilhabe haben an Aktualität nichts verloren. Die Beiträge in diesem Band knüpfen sowohl an aktuelle Entwicklungen als auch an feministisch-systemische Diskurse der 1980er und 1990er Jahren an. Wer Modelle und Methoden für eine zeitgemäße, diversitätssensible, machtkritische und intersektionale Beratungspraxis (wieder-)entdecken möchte, wird in diesem Band fündig. Expert*innen aus heutiger und vergangener Zeit eröffnen Resonanz- und Entwicklungsräume und bringen Perspektiven ein, die für eine Weiterentwicklung systemischer Beratungspraxis notwendig sind.
»Das Werk ist ein hervorragendes Beispiel, welchen Gewinn es bringt, die verborgenen Geschichten der Frauen in der Theorie- und Praxisentwicklung aufzuzeigen und ihre feministischen Ansätze aufzugreifen. Es wäre erfreulich, wenn Akteur_innen auch anderer Therapieschulen diesem Beispiel folgen würden.«
Dr. Barbara Stiegler, socialnet Rezensionen, 18.03.2025