Architektur wird zunächst gedacht und erst dann gebaut. Dabei sagt der Entwurf eines Baus oft mehr über die Ästhetik und Theorie seines Entwerfers aus als das realisierte Ergebnis, denn letzteres erfährt durch Kompromisse nicht selten Änderungen und Einschränkungen.
Immer schon waren Entwürfe fester Bestandteil von Wettbewerbsverfahren, deren Reglementierung sich im 19. Jahrhundert weiter verfestigte. Vormoderne Architekturvisionen zeichneten sich hier durch ein Wechselspiel aus konkretem Entwurf mitsamt Modell und eigenständiger künstlerischer Zeichnung oder Malerei aus. In der Klassischen Moderne wurden hingegen teils nur skizzenhafte Pläne zur Diskussion liturgischer und sozialer Fragen herangezogen; sie beanspruchten eine Eigenständigkeit jenseits der realen Ausführung. Im ausgehenden 20. Jahrhundert erweiterten sich die Artikulationsmöglichkeiten durch computergenerierte Darstellungen.
In einer Zeit, in der über Schließungen oder Umnutzungen von Sakralbauten diskutiert wird, lohnt sich eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Entwurfsgeschichte unserer Gotteshäuser und dem darin sich manifestierenden Ideenreichtum. Sie ermöglicht Rückschlüsse, um einen guten Umgang mit diesem Kulturerbe zu finden.
Die Beiträge dieses Bandes dokumentieren eine Tagung des Berliner Kirchenbauforums im April 2023 zu ungebauten sakralen Visionen aus verschiedenen Regionen und Disziplinen. Zwanzig Autorinnen und Autoren behandeln Grundlagen, Ausblicke und Fallbeispiele. Dabei werden Projekte namhafter Persönlichkeiten von Karl Friedrich Schinkel bis zu Hans Scharoun thematisiert, darunter wenig bekannte Entwürfe.