Zwischen 1890 und 1910 war Gustav Gull (1858-1942) der einflussreichste Architekt der Stadt Zürich. Am Anfang und am Ende dieses Karrierehochs stehen zwei stilistisch unterschiedliche Entwürfe: Mit seinem mittelalterlich-malerischen Projekt für das Schweizerische Landesmuseum durchbrach er 1890 die in der deutschen Schweiz dominierende Semper-Tradition. Rund zwanzig Jahre später inszenierte er sich im Wettbewerb für die Erweiterung der Eidgenössischen Polytechnikumsbauten als derjenige Entwerfer, der Gottfried Sempers (1803-1879) Architektur weiterführt und vollendet. Um 1900 entwarf Gull einen Stadthauskomplex auf dem Areal des einstigen Oetenbachklosters, dessen Formen zwischen Späthistorismus und Reformarchitektur vermitteln. Gull orientierte sich stets an historischen Architekturformen. Im Spannungsfeld zwischen Erhaltung, Zerstörung und Erneuerung mittelalterlicher Bausubstanz spielte er eine zentrale Rolle bei der Umgestaltung von Zürichs Stadtkern. Er trug visionäre Ideen zur Stadtentwicklung bei und verwirklichte stadtbildprägende Bauten.